Vor dem Saisonauftakt zur FIA European Truckracing Championship Saison 2015 im spanischen Valencia herrschte schon etwas Unsicherheit bei den Teams und offensichtlich auch beim Veranstalter. Der Ausstieg von MAN und der von Renault schon ein Jahr zuvor ist sicherlich schon eine Zäsur. Die Truckracing-Gemeinde findet sich neu, und da gab es vorab schon die eine oder andere Diskrepanz. Auch lange nicht mehr hatte es im Vorfeld so wenig Testrunden gegeben, lange nicht mehr waren einige Trucks erst so spät vor dem Saisonstart fertig geworden. Umso mehr wurde es seitens der Teams begrüßt, dass es am Freitag Pressefahrten und somit auch das gemäß FIA-Reglement obligatorische einstündige Zusatztraining gab – für manche RaceTrucks tatsächlich der erste echte Belastungstest der neuen Saison. Da ab 2015 auch im zweiten Tagesrennen, indem ja die ersten Acht aus dem vorherigen Rennen in umgekehrter Aufstellung starten, die volle Punktzahl vergeben wird – also nun 20 für den Sieger statt bisher 10, und gleich 5 Zähler Differenz zum zweiten Platz statt bisher 1 Pünktchen – war von einzelnen Kritikern befürchtet worden, es würden „die Fetzen fliegen“. In Valencia verhielten sich aber alle ausgesprochen gesittet. Auf anderen Rennstrecken, auf denen es durch den Streckenverlauf an manchen Stellen schon immer etwas härter zuging, kann das natürlich auch etwas anders aussehen. Jedenfalls waren die zweiten Tagesrennen extrem spannend, beim Anschlussrennen am Sonntag lagen die ersten Fünf beim Zieleinlauf weniger als zwei Sekunden auseinander. Diese Fünf, die auch schon in der letzten Saison ganz vorn lagen, gaben auch beim Saisonauftakt erneut den Ton an, allen voran Titelverteidiger Norbert Kiss (HUN). Allerdings hatte sein ärgster Widersacher aus der letzten Saison, sein deutscher MAN-Markenkollege Jochen Hahn schon am ersten Renntag reichlich Pech, als sein Wassertank – der riesige Wasservorrat ist im Truckracing zur Kühlung der Bremsen absolut notwendig – ein Leck bekam. Zu dem Zeitpunkt lag der dreimalige Titelträger hinter seinem Landsmann René Reinert (MAN) an zweiter Position noch vor Kiss. Für Hahn wären also gut und gern ein zweiter Sieg und somit auch 16 Punkte mehr drin gewesen – für Kiss dann fünf Zähler weniger; in der aktuellen Championatswertung sähe dann ganz anders aus. Aber wie meinte der Altensteiger am Samstagabend, „Im Laufe einer Saison erwischt es jeden mal, ich hoffe, ich habe mein Pechkontingent für diese Saison jetzt schon erfüllt.“ Reinerts Podiumsplatz im besagten Rennen auch schon am ersten Rennwochenende kam nicht unbedingt überraschend, dass Lokalmatador Antonio Albacete anfangs mit der Spitze – dazu zählen auch ja noch die beiden tschechischen Buggyra-Piloten David Vrsecky und Adam Lacko – nicht so recht mithalten konnte, überraschte die Beobachter sehr viel mehr. Am Sonntag war dann aber auch beim Madrilenen der Knoten geplatzt. Im zweiten Sonntagsrennen erklomm er dann zur Freude seiner zahlreichen Fans unter den insgesamt 21.000 Besuchern die oberste Stufe des Podiums. Ein bisschen frustriert waren sicherlich viele dieser Fans, weil sie ihren Antonio nicht im Paddock besuchen konnten. Das offene Fahrerlager ist bei den Truckracern eigentlich Tradition. Tatsächlich war das FIA ETRC-Paddock aber noch einmal gesondert abgetrennt vom allgemeinen Paddock der Rahmenserien und nur mit besonderen Tickets zugänglich. Überhaupt, diese permanenten Ticket-Kontrollen an jeder Ecke, da fühlte sich man sich gelegentlich schon mal leicht genervt. Nerven zeigte auch Scania-Pilot Erwin Kleinnagelvoort. Das holländische Truckracing-Urgestein stand erstmals in seiner langen FIA ETRC-Karriere auf Pole – und dann klappte es nicht so recht mit dem fliegenden Start. Ernsthaft erwartet aufs Podium zu fahren, hatte Kleinnagelvoort eh nicht. Am Ende verließ er Spanien mit 10 Punkten für das Fahrerchampionat, damit hatte er zuvor sicher nicht gerechnet.
Letztendlich schmerzte es ihn dann auch sehr viel mehr, dass er am Valencia-Samstag seinen großen Auftritt im „ Grip Motormagazin: Folge 316“ verpasst hatte. Dort hatte er sich mit seinem Scania ein Rennen mit dem Grip-Piloten Mathias Malmedy auf dem tankpool24-Mercedes geliefert. Doch Erwin und all denen, die es auch verpasst haben, zum Trost, die Folge 316 „Das Duell: Deutschland gegen Schweden – Mercedes gegen Scania“ ist in voller Länge auf YouTube zu sehen – nur allzu Ernst nehmen sollte man die ganze Sache natürlich nicht.
Quelle: www.truckracing.de